Er ist 11 Zentimeter hoch, 15 Zentimeter breit und besteht zu 65 Prozent aus Luft. Eine feine Verlockung aus Brandteig. Mal gefüllt mit Erdbeeren oder Sauerkirschen, mal mit Ananas oder Wildheidelbeeren, kombiniert mit Vanilleeis oder Likören und immer mit reichlich Schlagrahm garniert. Seine patentierten Lohengrin-Windbeutel haben das traditionsreiche Kaffeehaus „Windbeutelgräfin“ berühmt gemacht, weit über die Landesgrenzen heraus. Zuckerbäcker-Genießer strömen aus München, Salzburg und Innsbruck nach Ruhpolding. Ihre verzückten Gesichter verschwinden fast gänzlich hinter den Kreationen. 13 verschiedene Windbeutel-Ausführungen servieren Wirt Helmut Stemmer und Tochter Stefanie ihren Gästen, jede einzelne ein kleines Kunstwerk.
Schon von außen ist das Gast- und Kaffeehaus etwas Besonderes. Lüftlmalerei ziert die Hausmauer, die Fenster sind aufwendig bemalt und der Türbogen des denkmalgeschützten, ehemaligen Bauernhauses ist aus echtem Ruhpoldinger Marmor. Der Gruber Johann war einst der „Mühlbauer“, seine Familie hatte den Hof, dessen Grundmauern ins 17. Jahrhundert zurückreichen, von 1855 bis 1930 landwirtschaftlich bewirtschaftet. Dann stand das Anwesen zum Verkauf. Ein Graf wollte das Anwesen zu einem Gestüt umfunktionieren. Realisieren konnte er seine Pläne nicht. Stattdessen übernahm Richardis von Somnitz 1949 den Mühlbauernhof und eröffnete in der kargen Nachkriegszeit ein Kaffeehaus. Sie soll sehr unerfahren im Kochen und Backen gewesen sein. Als die Eigentümerin das geschenkte Rezept eines Gastes ausprobierte, nahm sie zu viel Teig und es entstand ein riesengroßer Windbeutel. Der bescherte ihr den Namen Windbeutelgräfin, und das Gebäckstück wurde zum Aushängeschild des Hauses. Helmut Stemmer und seine Tochter Stefanie haben das Wirtshaus 2014 übernommen, den Namen „Windbeutelgräfin“ selbstverständlich beibehalten und ihre spezielle Anrichtweise der Süßspeise sogar patentieren lassen.