Vom Fasten zur „Mettensau“
Wie kam es nun aber überhaupt zu den traditionellen bayerischen Weihnachtsgerichten? Der Ursprung des besonders üppigen Essens zu Weihnachten liegt im Fastengebot, das im Mittelalter noch die gesamte Adventszeit bis zum 24. Dezember herrschte. In der Nacht auf den 25. durfte wieder ordentlich geschlemmt werden und so schlachteten die bayerischen Familien über viele Jahrhunderte in dieser Nacht die „Mettensau“. Fleisch galt zu jener Zeit als rare Delikatesse. Zum höchsten Christenfest wurden daher Besonderheiten wie Schweinsbraten, Mettensuppe, Leber- und Blutwürste aufgetischt. Damit auch die Armen an diesem Festtag nicht auf Fleisch verzichten mussten, gaben ihnen die Bayern einen Teil der Würste ab. Darauf geht auch die Tradition zurück, zu Weihnachten Würste mit Kartoffelsalat oder Kraut zu verspeisen.
Die Weihnachtsgans in Ehren
Erst seit dem 19. Jahrhundert wird Christi Geburt nicht mehr in der Kirche, sondern zu Hause gefeiert. Heute essen die meisten Bayern neben Würstel den Gänsebraten. Es gibt zahlreiche Erklärungen für diese Tradition. Die wahrscheinlichste ist, dass Königin Elisabeth I. eine Gans verspeist hatte, als sie 1588 die freudige Nachricht über die bezwungene spanische Armada erhielt. Daraufhin erklärte die Kaiserin die Gans als gutes Omen und zum Weihnachtsbraten.
Mit dem Ofen kommen die Lebkuchen
Süßes oder Backwaren wie Lebkuchen und Spekulatius bereiteten bis zum 20. Jahrhundert spezielle Bäcker zu. Zu Hause backen konnte man nämlich erst, als in jeder Küche statt nur einer Feuerstelle auch ein Ofen vorhanden war.
Eine Sorte Plätzchen, die auch im Chiemgau zur Weihnachtszeit nicht fehlen darf, ist das Vanillekipferl. Die Kipferlform schreiben sich die österreichischen Bäcker auf die Fahnen. Sie sollen im Jahre 1683 türkische Eindringlinge, die einen Tunnel nach Wien graben wollten, auf frischer Tat ertappt haben. Dadurch konnte auch der zweite und letzte Eroberungsversuch der Türken vereitelt werden. Zur Feier ihrer Heldentat backten die Bäcker fortan Plätzchen und Frühstückskipferl in Halbmondform. 1874 gelang es den beiden Chemikern Wilhelm Haarmann und Ferdinand Tiemann Vanillin – den wichtigste Aromastoff der Vanille – künstlich herzustellen. Seither kennt man Vanillekipferl (fast) überall.
Der Weihnachtsstollen
So unterschiedlich die Geschmäcker auch sind, was im Chiemgau zu Weihnachten so gut wie in jedem Haushalt genascht wird, ist der Stollen. Das mit Puderzucker bedeckte Bauernbrot aus Hefeteig soll angeblich an das gewickelte Christkind erinnern. Die Zutaten: Butter, Milch, Mehl, Eier, Rosinen, Zitronen, Mandeln, Kardamom, Zimt und Rum. Kinder essen den Stollen gerne zum Frühstück. Am Nachmittag wird er zum Kaffee gereicht und abends kann er schon mal das Abendbrot ersetzen. Wie viele Traditionsgerichte hat auch der Stollen einen geschichtlichen Hintergrund: Man wollte ein Gebäck schaffen, das vom Michaelitag im September bis Heiligabend haltbar ist.
Alles neu ab den 1950ern
In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde man weltoffener, damit erhielt Schaschlik für kurze Zeit Einzug in die Speisekarte an Heiligabend. Danach kamen Raclette und Fondue in Mode. Von Kaviar und Hummer sieht man heute wieder ab, diese galten in den 1980ern und 1990ern als schick. Achim Hack, Küchenchef im Gut Steinbach in Reit im Winkl, serviert am Heiligabend gerne Ausgefallenes: